Routerfreiheit als Hemmschwelle beim Breitbandausbau?

Routerfreiheit – einmal hin und nun doch wieder zurück

Sie wollen so schnell wie möglich ins Internet? Wie die Technik dahinter aussieht ist Ihnen egal? Dann brauchen Sie nicht weiterzulesen. Sie nehmen einfach das, was der Provider Ihnen als Router anbietet – fertig.

Dieser Text ist für alle, denen es nicht egal ist, ob im Media-Shop noch bessere Router angeboten werden oder nicht. Denen die Freiheit wichtig ist, nicht alle Daten, die im privaten Netz kursieren, mit dem Provider teilen zu müssen.


Der Netzwerk-Router: Mittler zwischen Netzprovider und Kunde

Aber wozu braucht man überhaupt diese Kiste am Kabel, die da einfach nur rumsteht und zudem noch ständig Strom aus der Steckdose nuckelt (ca. 30 EUR/Jahr)? Zunächst muss man wissen, dass die Übertragung von Millionen von Bits pro Sekunde über längere Kabelwege, egal ob aus Kupfer oder aus Glasfaser, sehr viel technische Expertise benötigt. Es gibt weltweit nicht einmal mehr eine handvoll Halbleiter-Hersteller, die diese Technik in ihren Chips beherrschen. Wenn das Kabel aus der Internet-Welt also in der Wohnung ankommt, ist die Modem-Funktion das erste Element zur digitalen Kommunikation. Die nächste wichtige Funktion ist die Zugangsüberwachung zum Provider, vergleichbar mit der SIM-Karte im Handy. Diese Funktion wird von den Netzanbietern gern als Teil des Modems gesehen. Erst dahinter kommt die Router-Funktion, die darüber wacht, welche Daten an welchen Empfänger im heimischen oder öffentlichen Netz weitergeleitet werden.

Routerfreiheit – was ist das?

Die grundlegende Frage für die Routerfreiheit lautet also: Wo endet das Netz des Providers: A) am Kabelende (also der Datensteckdose an der Wand) – oder B) hinter dem Modem/der Zugangsüberwachung – oder C) hinter dem Router? Der deutsche Gesetzgeber hatte hier bereits eine eindeutige Antwort gefunden: A, also das Kabelende ohne weitere Elektronik. Seit Jahren darf der Kunde frei entscheiden, welche Kiste in seiner Wohnung am Kabel zum Einsatz kommt. Er kann nach seinen Bedürfnissen den Funktionsumfang bestimmen und auch den Energiebedarf des Gerätes in seine Kaufentscheidung miteinbeziehen. Die freie Wahl des Endgerätes am Telefonanschluss war schließlich eine ganz wesentliche Errungenschaft der Liberalisierung nach dem Ende des Post-Monopols gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts.

Die Netzbetreiber sehen das anders: Sie hätten mehrheitlich gerne den Punkt B als Netzende gesehen: der Anschluss hinter dem Modem mit der Netzzugangskontrolle. Der Kunde könnte ja dann immer noch den Router seiner Wahl frei nutzen, eben nur ohne integriertes Modem. Dann wäre doch die geforderte Endgerätefreiheit gewahrt.

Technik: Wunsch und Wirklichkeit

An dieser Stelle muss man wissen, dass die wenigen Hersteller, die es noch gibt, entweder schon heute oder in naher Zukunft keine Halbleiter-Chips mehr liefern wollen, die ausschließlich das Modem-Handwerk beherrschen. Mit der Rechenleistung, die für den Aufbau einer leistungsfähigen Datenübertragung erforderlich ist, kann man locker noch die Router-Funktionalität nebenher erledigen, einschließlich WLAN-Basisstation, Telefonanlage und Datei-Server.

Wenn der Provider nun also sein neuestes Modem für den Netzabschlusspunkt B liefert, kommt der Router durch die Hintertür mit. Die Netzhoheit endet dann doch entgegen der Zielsetzung des Gesetzes zur Endgerätefreiheit am Netzabschlusspunkt C.

Wem nützt der Netzabschlusspunkt B (C)?

Die Internet-Provider können bei Netzabschlusspunkt B oder C die Kosten für den Service bei Kundenproblemen senken: Wenn das Helpdesk aufgrund einer aktiven Komponente vor Ort bis in die Wohnung des Problemkunden schauen kann, sind Fehlerursachen auf Seiten der Verbindung schnell von Fehlern auf der Kundenseite zu trennen. Außerdem können die vom Kunden erreichbaren Dienste im Internet gefiltert (z.B. Spezialtarifierung für VPN) und die Einkaufspreise von Routern über internationalem Großeinkauf massiv gedrückt werden (zusätzliche Einnahmen, da auch noch Wettbewerb entfällt).

Aber es gibt auch noch weitere Gewinner: Ein Oligopol an Halbleiter-Chipanbietern trifft auf ein Oligopol an weltweit agierenden Router-Herstellern. Wobei ein Chip-Hersteller gleich noch Router-Hersteller ist. Wer kann da wohl den Preiskampf langfristig überstehen? Ein einziger Anbieter dominiert heute nicht nur den Mobilfunk, sondern mit Modems und Halbleiter-Chips auch den zukünftigen Festnetz-Markt auf beiden Seiten der Leitung. Also nicht nur beim Kunden, sondern auch in den Netzknoten sind Produkte des gleichen Herstellers installiert, die untereinander Daten austauschen, die anderen Lieferanten nicht zugänglich sind. Da stören Kunden mit eigenen Endgeräten, in denen die Chips der anderen verbaut sind, gewaltig.

Wem nützt der Netzabschlusspunkt A?

...eindeutig demKunden. Wettbewerb war schon immer gut, um die Innovation voran zu treiben bei bezahlbaren Kosten.

...den qualifizierten Arbeitsplätzen in Europa. Wissen und Wertschöpfung wandern nicht nach Fernost ab.

…der Sicherheit der Übertragungsnetze. Monokulturen sind anfällig für digitale Schädlinge. Verschiedene Router erhöhen den Aufwand für flächendeckende Angriffe.

Europa: Routerfreiheit 2.0?

Ein 2018 veröffentlichter „Europäischer Kodex für Elektrische Kommunikation“ in Form einer EU-Richtlinie zwang zu einer Überarbeitung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) bis zum Jahresende 2020. Es wird darin den Nationalstaaten freigestellt, den Netzabschlusspunkt A, B oder C für ihren Zuständigkeitsbereich zu definieren. Die daraufhin nun vom Bundestag beschlossene nationale Umsetzung, das „Telekommunikationsmodernisierungsgesetz“, hätte also die Regelungen des TKG zum Netzanschlusspunkt (passiver Netzabschlusspunkt A) unverändert übernehmen können. Leider entschied man sich auf Druck der Netzbetreiber, eine Öffnungsklausel für Punkt B einzufügen.

Es bleibt trotzdem alles ganz anders?

Auch mit dem neuen Gesetz bleibt alles erst einmal beim alten. Aber wie setzt man durch, dass die Regeln beim Kunden wirklich ankommen? Es gibt immer noch Anbieter, die – trotz Routerfreiheit - einen Festnetzvertrag mit einem Router verknüpfen. Dieser Zwangsrouter ist eine klare Unterwanderung der Gesetzgeber-Ziele, um den Kunden doch vom Kauf eines eigenen Gerätes abzuhalten. Dabei belasten Herstellung, Versand und die Entsorgung eines Gerätes, das gar nicht wirklich gebraucht wird, völlig unnötig die Umwelt.

Noch gefährlicher ist die Drohung der Glasfasernetz-Betreiber, den dringend benötigten Breitbandausbau vom Einsatz eigener ONTs auf Kundenseite abhängig zu machen. ONTs sind die Modems für den Glasfaseranschluss. Sie ahnen schon: Der Netzabschlusspunkt B durch die Hintertür. Hält die Politik in Gestalt der Bundesnetzagentur den Druck der Glasfaser-Lobby aus? Die Öffnungsklausel wartet auf Anwendung ...


Links zu weitergehenden Informationen zum Thema

Aktuelle Informationen vom Verband der Endgerätehersteller VTKE:
https://vtke.eu/aktuelles/

Veröffentlichungen aus der Plattform `LinkedIn:`
Telekommunikation im Gesetzgebungsverfahren
Der direkte Draht
Infrastruktur und Machtmissbrauch


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